1989 LERNT HUGO PFLUGER DEN MALER ROLAND FLÜCK KENNEN. DIE KUNST KAM ZU AGATHON.
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IM GLEICHEN JAHR, AM 9. NOVEMBER, WAR DAS ABSCHRECKENDE SYMBOL DES OST-WEST-KONFLIKTS NUR NOCH GESCHICHTE: DIE BERLINER MAUER FIEL, DER EISERNE VORHANG SCHLOSS SICH FÜR IMMER.
EIN AUSFLUG INS EMMENTAL
1989 lenkte der damalige Agathon-Patron und Kunstliebhaber Hugo Pfluger seinen Wagen ins Emmental. Ziel: Die Kunstausstellung Trubschachen. Im Dorfschulhaus zu Trubschachen wurden Schweizer Klassiker wie Hodler, Anker oder Giacometti genauso ausgestellt wie die Werke zeitgenössischer Künstler. Einer dieser jungen Kunstmaler war der Solothurner Roland Flück.
Im Anschluss an die Ausstellung in Trubschachen trafen sich Hugo Pfluger und Roland Flück in dessen Atelier. Dort wurde vereinbart, dass Roland Flück insgesamt sieben Gemälde für den Firmensitz in Bellach anfertigen würde.
Das Gebäude sollte nach dem Willen von Hugo Pfluger nicht nur äusserlich, sondern auch im Inneren ästhetisch überzeugen. Fast 27 Jahre lange ruhte die Zusammenarbeit zwischen Agathon und Roland Flück, bis Agathon CEO Michael Merkle auf den
Solothurner Künstler zuging.
Sein Wunsch: Der Künstler möge zum 100-Jahr-Jubiläum des Unternehmens ein weiteres Gemälde erstellen. Flück willigte ein.
Zum Abschluss des Jubiläumsjahrs schenkte der Künstler der Firma Agathon ein weiteres Bild. Dies war der vorläufige Abschluss seiner Arbeiten für das Unternehmen.
Von den sieben Werken, die Roland Flück in den Jahren 1989 und 1990 fertiggestellt hat, befinden sich fünf bis heute im Firmenbesitz. Inhaltlich verbunden werden diese Werke durch das Thema Garten/Gartenwirtschaft. «Ich habe damals einfach gern Gartenbeizen gemalt, wo das gemeine Volk seinen Stumpen rauchte und einen Humpen Bier trank», antwortet Roland Flück heute auf die Frage nach dem tieferen Sinn dieses Themas. Aus ästhetischer Sicht seien die Lichtflecken interessant, die sich aus dem Spiel von Sonnenschein und dem Schattenwurf der Bäume ergäben.
Die Bilder wurden mit Öl auf Leinwand gemalt. Die Farbgebung basiert auf der Farbenlehre des Schweizer Malers, Kunsttheoretikers und Bauhaus-Lehrers Johannes Itten. Das heisst, dass die Bilder komplett ohne die Farbe Schwarz auskommen. Stilistisch lassen sich die Werke als moderne Weiterentwicklung des späten Impressionismus und Pointilismus charakterisieren.
GARTENWIRTSCHAFT
IM HERBST
Das Bild zeigt die aufgeklappten Tische und die Fassade einer Gartenwirtschaft sowie den Schatten eines Kastanienbaums.
«Eine Banalität sondergleichen»,
sagt der Künstler zur dargestellten Szene. Was ihn an der Wirkung dieses Bilds fasziniert, sind die expressionistischen roten Schatten sowie die Harmonie, die sich aus der räumlichen Nähe der Komplementärfarben Violett und Gelb, Blau und Orange sowie Rot und Grün ergibt. «Essenziell an dem Bild ist die Stimmung, die sich aus den Farbkontrasten ergibt. Die Form ist gar nicht so wichtig», erläutert Flück.
GARTEN
Das Bild zeigt Roland Flücks Garten mit Sonnenschirm.
«Ich bin erschüttert», entfährt es dem Künstler spontan, als er dieses Bild nach langer Zeit wiedersieht. Minutenlang
betrachtet und inspiziert er das Gemälde.
«Dieser krude Farbauftrag, aber perfekt. Nach all der Zeit nicht der kleinste Riss in der Farbe. Dazu die Strahlkraft, ein wahnsinnig gutes Bild.»
Auch heute noch packe ihn «die Power und unglaubliche Lebenskraft», die das Bild transportiere.
MANN AUF DEM BALKON
Das Bild zeigt einen Malerkollegen und Freund von Roland Flück, der auf dem Balkon seines Hauses steht und sich im Fenster spiegelt.
«Interessant sind bei diesem Bild die diagonale Geometrie und die Figur»,
erklärt Flück. «Gerade, wie ich die Figur aufgelöst habe – ich sollte öfter so frech malen». Tatsächlich ist die Person nur aus der Distanz erkennbar, während aus der Nähe nur Farbpunkte wahrgenommen werden. Von der Wirkung lebe das Bild von der Spannung, die sich aus dem Spiel aus Harmonie und Disharmonie ergebe. Die Verbindung der Komplementärfarben Gelb und Violett schaffe Harmonie, während das dunkle Rot wie ein Fremdkörper in der Komposition und äusserst disharmonisch wirke. «Ohne das Rot wäre es fast schon ein langweiliges Bild», meint ein augenzwinkernder Flück.
GARTENWIRSCHAFT
Das Bild zeigt einen Malerkollegen und auf dem Bild ist im Vordergrund und Hintergrund je ein Kastanienbaum dargestellt. Dazwischen befinden sich die Gäste einer Gartenwirtschaft sowie die Fassade des Gebäudes.
«Dieses Bild ist mit sehr viel feinerem Pinsel gemalt»,
macht Flück den Unterschied zu den anderen Bildern deutlich. Das liege daran, dass auf dem Bild mehr Details dargestellt werden, wie die Pfeife eines der Gäste oder die einzelnen Bierkrüge. Die Leinwand ist dunkelgrün grundiert. Die hellen Farben wurden auf diese Grundierung aufgetragen. Dadurch entstehe die spezielle Spannung in diesem Bild. Damit bei dieser Arbeitsweise die Strahlkraft erhalten bleibe, könne man solch ein Bild nur mit den besten, stark pigmentierten Ölfarben malen, erläutert Flück. «Ich habe die gleichen Ölfarben verwendet, die auch Winston Churchill bei seinem Besuch in der Schweiz im Jahr 1946 gekauft hat.» Sie stammten vom Schweizer Farbenhersteller Sax und wurden von zahlreichen berühmten Malern verwendet.
GARTENWIRSCHAFT
IM SOMMER
Auf diesem Bild ist wiederum eine Gartenwirtschaft dargestellt. Unter dem Kastanienbaum sieht man einige Personen, die Bier trinken und rauchen.
«Ein hochinteressantes Bild. Auch hier wieder der krude, expressionistische Farbauftrag»,
lacht Roland Flück. Laut Farbtypenlehre, die Johannes Itten mitbegründet hat, kommen hier in grossem Umfang Farben zum Einsatz, die beim Menschen dem sogenannten Sommertypen entsprechen, unter anderem Flieder, Jeansblau und Lavendel.
DAS AGATHON-GEBÄUDE
Das Werk, das Roland Flück im Auftrag von Agathon im Zusammenhang mit dem 100-Jahr-Jubiläum der Firma geschaffen hat, unterscheidet sich in mancherlei Hinsicht von den früheren Bildern, zum Beispiel in der Farbwahl: Anstelle von Öl- verwendete Flück hier Acrylfarben. Stilistisch orientiert sich das Bild sehr viel stärker am Pointillismus, der im ausgehenden 19. Jahrhundert als Antwort auf den bis dahin dominierenden Impressionismus entstand. Im Pointillismus bestehen die Bilder aus kleinen Farbtropfen, die gesamthaft eine vollkommene Harmonie schaffen. Typisch für den Pointillismus ist der streng geometrisch durch¬komponierte Bildaufbau, der bereits in zahlreichen frühen Bildern von Flück auffällt und hier noch eine Spur kraftvoller zutage tritt.
«Im Gegensatz zu den frühen Bildern ist dieses sehr viel geplanter. Es wirkt dadurch routinierter und weniger unverschämt»,
erklärt Flück. Die strenge Geometrie des Pointilismus harmoniert in diesem Bild wunderbar mit der Architektur Fritz Hallers und somit mit dem dargestellten Gebäude.
DAS GESCHENK
Ein besonderes Geschenk an die Agathon-Belegschaft überreichte Roland Flück im Dezember 2018. Es ist sozusagen der künstlerische Abschluss des 100-Jahr-Jubiläums des Unternehmens. Das Bild basiert auf einem bearbeiteten Digitalfoto, das per UV-Digitaldruck auf gehärtetes Glas gedruckt wurde. Bei diesem Verfahren wird UV-aushärtende, lichtechte Farbe auf das Material gebracht und unter Einwirkung von LED-UV-Licht sofort getrocknet. Das Bild zeigt das Aareufer in der Stadt Solothurn mit St.-Ursen-Kathedrale und Landhaus sowie im Hintergrund den Jura-Gebirgszug mit Sonnenuntergang. Das Motiv wurde von Roland Flück aus seinem Garten heraus fotografiert.